Was mir als Auslandsösterreicher abgeht
Ich lebe schon seit vielen Jahren im „Ausland“, praktisch mein ganzes Erwachsenenleben lang. Ich mag Österreich sehr gern, aber ich finde das Leben an ganz unterschiedlichen Orten des Planeten, weit ab von der Mitte Europas, aufregend und interessant. Zuerst hat sich das Auslandsösterreicherleben ergeben als ich beim Studium und später in der Wissenschaft im Ausland sehr gute Möglichkeiten hatte etwas zu lernen und mich beruflich zu entfalten. Ich habe das Leben an diesen recht unterschiedlichen Orten auch die meiste Zeit sehr genossen, und es immer interessant gefunden neue Länder und Kulturen kennenzulernen. Das war dann jedesmal wieder aufs Neue eine Motivation meinen nächsten Job in der Ferne zu suchen. Ich war seit 1998 in Frankfurt am Main, Südkalifornien, Japan und Australien zu hause und lebe jetzt in Dumaguete auf der Insel Negros in den schönen Philippinen.
Essen, Landschaft, Bier?
Geht mir nach all den Jahren ausserhalb der Alpenrepublik noch etwas aus Österreich ab? Vielleicht das österreichische Essen? Schnitzel und Leberkässemmel können schon echte Gaumenfreuden sein wenn man wirklich hungrig ist, aber mit einem japanischem Reistopf mit Seeigelroggen und Meeresalgen oder einem ordentlich gegrilltem australischen Lamm können beide nicht mithalten. Die österreichischen Biere sind natürlich ausgezeichnet, aber man trinkt auch in Australien längst nicht nur dieses eine mittelmässige Aussie-Exportbier welches man auch in Österreich zu kaufen kriegt.
Oder vermisse ich die österreichische Landschaft? Der Millstädtersee ist wunderschön, aber mit den Klippen an der Great Ocean Road im Süden Australiens oder mit den Felstürmen in der Bucht von El Nido in den Philippinen kann er nicht konkurrieren.
Der Schmäh geht mir ab!
Was geht mir also ab? Der österreichische Schmäh! Diese Mischung aus intelligenter Beobachtung, leicht verbitterten Zynismus und extra scharfer Ironie, mit einer Priese Bosheit, gibt es auf der ganzen Welt nur in Österreich.
Die Nordeuropäer sind zu reserviert-verklemmt für diese Art von Humor, was sich auch in der natürlich von der Englischen Kultur abstammenden Amerikanischen Kultur niederschlägt. Die Australier, obwohl ursprünglich auch Angel-Sachsen, sind ein Sonderfall: Das Land hatte ja seine Ursprünge als Gefängniskolonie, und die Alltagssprache und der in ihr enthaltene Humor sind daher generell ungehemmt: Lustige Beschimpfungen wie „boganaire“ (einem Neureichen –> Bogan, australisch für Prolo + millionaire) oder „fuckwit“ (muss man nicht erklären) hört man “Down Under” oft, aber die feine Klinge wie sie für den österreichischen Schmäh typisch ist vermisst man zwischen Adelaide und Cairns.
Die Völker Asiens haben ja überhaupt ganz unterschiedliche Humore: Die Japaner am wenigsten, die machen lieber Überstunden als Witze. Die Filipinos haben meiner Erfahrung nach den besten Humor in Asien, zwischen Manila und Cebu City wird heftig gescherzt und gelacht. Allerdings ist der Humor hier weniger bösartig als in Österreich, und so etwas wie Ironie und Zynismus finden sich in Ostasien generell selten. Dadurch wird der Landeswitz des Inselstaates aber auch weniger interessant.
Humormässig ist man in fernen Landen also leider manchmal schlecht bedient. Was man in der direkten zwischenmenschlichen Kommunikation vermisst, kann man sich aber zumindest teilweise im Internet holen.
Wien: Welthauptstadt des Schmähs, jetzt auch Online
„Lieber an guaten Freind verlieren als an guaten Schmäh auslassen“ hiess es in Wien immer schon. Jetzt, im anonymisierten Internet, kann man jeden guten Schmäh zum Einsatz bringen ohne überhaupt erkannt zu werden! Was von vielen Zeitgenossen als digitale Verrohung verkannt wird (Hasspostings! Pfui! Zensur bitte!) halte ich für die Grundlage eines goldenen Zeitalters des Schmähs. Auch erlaubt mir das Internet, diesen österreichischen Onlineschmäh in einem Cafe in Sydney oder einem Strandrestaurant unweit eines philippinischen Koralenriffs täglich und unkompliziert zu konsumieren.
Schlägereien der Landjugend, patscherte Kriminelle oder dumpf-undurchdachte Bemerkungen und Aktionen der österreichischen Volksvertreter – ich freue mich fast täglich auf die Kommentare in Onlieversionen diverser heimischer Zeitungen unter Artikeln über solche Vorkommnisse. Enthauptungen die nicht einmal jeden Freitag stattfinden, ein ob seiner eigenen Leistung verunsicherter Leistungsträger, oder die emotional-öffentlich ausgetragene Scheidung einer Partei von der eigenen Jugendorganisation: All dies sind grandiose Anlässe, damit die österreichischen Olineschmähführer kreativ werden können. Nicht selten wundern sich dann Amerikaner, Japaner, Australier und Filipinos, was denn der Mann mit den Locken und dem eigenartigen Akzent (German? Swiss?) im Internet gelesen hat sodass er plötzlich so laut auflachen muss.
Jetzt bei Hübner von mir zu haben: Gehirn Extrem! Die Neurobiologie extremer Gehirzustände: